Armuts- und Reichtumsbericht: Nak fordert Mut zur Umverteilung!

Berlin, den 12. Mai 2021. Heute wird der sechste Armuts- und Reichtumsbericht im Bundeskabinett verabschiedet. Die Nationale Armutskonferenz (nak) sieht in den Befunden einen dringenden Handlungsauftrag an die Politik, die Lebenslagen armutserfahrener Menschen spürbar zu verbessern. Der Trend verfestigter Armut und sich verschärfender Ungleichheit muss gebrochen und eine umfassende Teilhabe von Menschen mit Armutserfahrung organisiert werden.

Gerwin Stöcken, Sprecher der Nak kommentiert: „Die Befunde des vorliegenden Berichtes sprechen eine eindeutige Sprache: Der wachsende Wohlstand erreicht bei weitem nicht alle Menschen. Während sich Armut als strukturelles Problem herausgebildet hat und zunehmend verfestigt, entwickeln sich die Lebensverhältnisse der Menschen weiter auseinander. Das gefährdet den sozialen Zusammenhalt nachhaltig. Die nak fordert, dass die Sozialpolitik stärker auf das Ziel der Vermeidung und Überwindung von Armut ausgerichtet wird.“

Der Bericht zeigt, dass sich Armut in den letzten Jahren weiter verfestigt hat. Diese kommt zunehmend auch in einer deutlichen Kumulation sozialer Problemlagen in unserer Gesellschaft zum Ausdruck. Die materielle Lebenswirklichkeit der Menschen am unteren Ende der Einkommensverteilung hat sich in den vergangenen 15 Jahren kaum verbessert, während in mittleren und oberen Bereichen Zuwächse bei den Einkommen und insbesondere bei den Vermögen zu verzeichnen sind. Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich weiter vergrößert: Auf Kosten der Mitte der Gesellschaft hat die Polarisierung der Lebenslagen – Menschen, die in verfestigten Armutslagen ohne Aufstiegsmobilität leben sowie Menschen, die in Wohlhabenheit und Reichtum leben – zugenommen.

„In einer wohlhabenden Gesellschaft auf Grund von Armut ausgegrenzt und abgewertet zu werden, ist eine bittere Erfahrung, die vielen Menschen nicht erspart bleibt. Zu sehen, dass sich der Lebensstandard der gesellschaftlichen Mitte immer weiter entfernt, während man selbst tagtäglich gegen Windmühlen ankämpfen muss, ist unerträglich. Die nak fordert Solidarität und Anerkennung für Menschen mit Armutserfahrung und eine Politik gegen Armut, die die Lebenslagen der Menschen wieder spürbar verbessert. Die nak ist der festen Überzeugung: Das Leistungsniveau in der Grundsicherung muss wieder steigen, um materiellen Mangel zu verhindern und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Erst die Abwesenheit von ständiger Knappheit schafft die Voraussetzung für eine Aufwärtsmobilität in andere Lebensbereiche und ein Aufbrechen verfestigter und kumulierter Armutslagen. Das erfordert Mut und entschiedene Schritte zur Umverteilung“, formuliert Gerwin Stöcken die zentrale politische Forderung im aufziehenden Bundestagswahlkampf

Hintergrund:

Seit 2001 veröffentlicht die Bundesregierung einmal in jeder Legislaturperiode einen Armuts- und Reichtumsbericht. Die nak brachte ihre Expertise im Beraterkreis beim federführenden Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein. Die Stellungnahme der nak zum Entwurf des Berichtes kann hier abgerufen werden: https://www.nationale-armutskonferenz.de/wp-content/uploads/2021/04/NAK_2021-04-09_Stellungnahme_sechster_ARB_final.pdf

Armuts- und Reichtumsbericht: Nak fordert entschlossene Politik gegen Armut und soziale Ausgrenzung!

Die nationale Armutskonferenz (nak) zeigt sich alarmiert angesichts der Ergebnisse des 6. Armuts- und Reichtumsberichts. Er mache mehr als deutlich, dass sich Armut nicht nur auf einem Höchststand befinde, sondern auch von verfestigter Armut gesprochen werden muss. Gerade die materiellen Lebensumstände der am stärksten von Armut betroffenen Menschen stagnieren. Die beobachtete Verfestigung von Armut und der Abkopplung vom gesellschaftlichen Entwicklungsstand sieht die nak als Auftrag an die Politik, die Lebensbedingungen von Menschen mit Armutserfahrung zu verbessern.

Als Mitglied des Beraterkreises beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Nationale Armutskonferenz (nak) zum Entwurf des sechsten Armuts- und Reichtumsberichtes Stellung genommen. Nak-Sprecher Gerwin Stöcken kommentiert:

„Es kann nicht weiter hingenommen werden, dass Armut in einem so wohlhabenden Land fortbesteht und es der Politik trotz guter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen vor der Corona-Pandemie nicht gelungen ist, die Lebenslagen aller Menschen durchgreifend zu verbessern. Im Gegenteil: Armut und Reichtum verfestigen sich weiter und die Menschen werden von der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung abgehängt. Wir brauchen endlich eine entschlossenen Politik gegen Armut und soziale Ausgrenzung unter Beteiligung von Menschen mit Armutserfahrung!“

Der Entwurf zum Armuts- und Reichtumsberichtes thematisiert auch die sozialen Folgen der Corona-Pandemie. Etwa jede*r Vierte gab im August einer für den Bericht in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage zufolge an, Einkommensverluste durch Corona erfahren zu haben. Davon seien Haushalte in unteren Einkommensbereichen überproportional betroffen. Auch Schwierigkeiten bei der Deckung laufender Kosten, Sorgen vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung gaben insbesondere Menschen mit geringen Einkommen bzw. in unteren sozialen Lagen befindlichen Personen an.

Dazu Gerwin Stöcken weiter:

„Corona verschärft bereits bestehende Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt, bei der Gesundheit und bei der Bildung. Corona trifft uns alle hart. Von Armut betroffene Menschen sind den sozialen und gesundheitlichen Risiken dabei überdurchschnittlich häufig und stark ausgesetzt. Die nak sieht weiterhin Nachbesserungsbedarf bei den Hilfen für arme Menschen. Die beschlossene Einmalzahlung in Höhe von 150 Euro reicht nicht aus, um die finanziellen Mehrbelastungen aufzufangen. Wichtig ist außerdem, dass nach Corona kein Rotstift bei Sozialleistungen angesetzt wird.“

Zur Stellungnahme zum Entwurf des sechsten Armuts- und Reichtumsberichts: NAK_Stellungnahme_sechster_ARB_final